Tarifgestaltung im Wandel der Zeit

Die im Energiemarkt angebotenen Tarife haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Schuf man vor einigen Jahren die Begründung für günstige Preise noch durch Vorauskasse-Modelle, Kautionstarife oder Paketangebote, sind es heute Sofortboni und Mehrwertleistungen wie Ökostrom, Klimagas oder lange und umfassende Preisgarantien, die den Unterschied ausmachen sollen.

Die Entwicklung wird zwar auch von den Forderungen von Verbraucherschützern getrieben, lässt sich aber auch logisch mit dem harten Wettbewerb, vor allem im Discountsegment, erklären.

Vorauskasse und Kaution als erste Preissenker

Zu Zeiten von FlexStrom und TelDaFax war ein günstiger Preis tatsächlich nur in Verbindung mit Vorauskasse oder Kaution zu haben. Ein Jahr Vorauszahlung zzgl. 600 Euro Kaution konnten bei TelDaFax schon mal sechs Cent Rabatt pro kWh gegenüber dem lokalen Grundversorgungstarif bedeuten. Zudem gab es auch Angebote, bei denen der Bonus doppelt so hoch war wie der im ersten Vertragsjahr zu zahlende Preis. 400 Euro Jahreskosten für Gas bei 800 Euro Bonus führten dabei im zweiten Vertragsjahr zu Kosten, die deutlich oberhalb des Grundversorgungstarifs lagen. Zudem waren Preisgarantien bei den allergünstigsten Discountern nicht unbedingt üblich. FlexStrom bot bspw. drei Monate Preisgarantie und optional eine Garantieverlängerung für ein Jahr an. Wer auf diese kostenpflichtige Zusatzoption verzichtete, erhielt in der Regel bereits nach wenigen Wochen der Belieferung die Information, dass der Preis nach Ablauf der Preisgarantie eklatant steigen werde.

In Summe handelte es sich bei diesen Tarifen um klassische Discountangebote, bei denen der Haken fest eingebaut war.

Premium-Ökostrom vom Discounter

Mit dem Markteintritt neuer Discounter wie ExtraEnergie oder Stromio wurde der Markt enger und gleichzeitig war es erforderlich, sich von den etablierten Discountern zu differenzieren. Ein erster Schritt war der komplette Verzicht auf Vorauskasse und Kaution. Pakettarife gab es aber trotzdem weiterhin, teilweise mit exorbitanten Mehr- und Minderverbrauchaufschlägen, die man ebenfalls bereits von FlexStrom gewohnt war.

Neben dem Verzicht auf die nicht ganz so kundenfreundlichen und bei Insolvenz des Anbieters verlorenen Vorauszahlungen wurde die Qualität der Produkte weiter ausgebaut. Eingeschränkte Preisgarantien wurden zur Selbstverständlichkeit und es wurden verstärkt Ökoprodukte eingeführt.

Insbesondere nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima zeigte sich der Wille der Discounter, beste Qualität zum günstigsten Preis anzubieten. Nachdem die Ökostromnachfrage eine zeitlang stark angestiegen war, ließen viele Versorger ihre Produkte mit dem ok power-Label zertifizieren und erreichten damit das Qualitätsniveau von Ökostromanbietern, die normalerweise mit deutlich höheren Preisen am Markt agieren. Zwar verschwanden viele dieser Tarife wieder vom Markt, als sich herausstellte, dass die Kunden auch ein TÜV-Label oder gar nicht zertifizierten Ökostrom für ausreichend halten, dennoch sind Ökoprodukte auch heute unter Discountern noch sehr weit verbreitet und selbst im Gasmarkt in Form von CO2-neutralem Klimagas zu sehr günstigen Konditionen verfügbar.

Komplette Preisgarantien und kurze Laufzeiten

Wenn Discounter die gleiche Qualität wie Premium-Anbieter liefern, müssen die Premium-Anbieter nachziehen, um sich von den günstigen Wettbewerbern zu differenzieren. Teilweise geschah dies durch reinen Preiswettbewerb, in dem bekannte Marken den häufig weniger bekannten Discounter bei leichten Preisunterschieden vorgezogen werden.

Ein wichtiger Aspekt war es jedoch immer auch, sich von den Discountern tatsächlich durch mehr Leistung und eine höhere Produktqualität abzusetzen.

So wurden beispielsweise Sofortboni eingeführt, die für einen knapp kalkulierenden Discounter durchaus eine Herausforderung im Hinblick auf die Liquidität stellen könnten. Da die Kunden die Sofortboni jedoch gerne und oft abschlossen, mussten die Discounter zwangsläufig nachziehen, so dass inzwischen viele Anbieter mit Sofortboni werben und häufig sogar eine Kombination aus einem Sofortbonus und einem klassischen Neukundenbonus, der nach einem Jahr ausgezahlt wird, anbieten.

Ein weiterer Aspekt sind Preisgarantien. Während das Preisrisiko im Gasmarkt überschaubar ist und eine vollständige Preisgarantie zulässt, ist es im Strommarkt deutlich schwieriger, alle Preiskomponenten stabil zu halten. Trotzdem zeigt sich aktuell ein Trend, dass immer mehr Versorger volle Preisgarantien anbieten, wo vor Kurzem noch die eingeschränkte Preisgarantie üblich war.

Als nächster Schritt deuten sich kurze Vertragslaufzeiten an. Der lifestrom-Tarif von SAT1, der in Zusammenarbeit mit E.ON entstanden ist, ist bspw. bereits 14-tägig kündbar. Andere Anbieter wie ExtraEnergie oder Shell PrivatEnergie warten bereits mit ähnlich kurzen Erstvertragslaufzeiten von einem Monat auf. Weitere Discounter werden sicherlich folgen.

Was kommt als nächstes?

Diese Entwicklung führt dazu, dass die Discountangebote eigentlich gar nicht mehr so genannt werden können. Vollumfängliche Tarifleistungen und ein immer besser werdender Service machen die Angebote immer mehr mit Premium-Produkten vergleichbar. Die Premium-Ökoanbieter argumentieren heute noch mit ihrer Unabhängigkeit und der ausschließlichen Fokussierung auf Ökostrom. Titel wie „Wegbereiter der Energiewende“ sollen von der Produkt- zur Anbieterzertifizierung führen und Alleinstellungsmerkmale schaffen, die von Discountern oder den etablierten Energieversorgern nur schwer zu erlangen sind.

Anderen Anbietergruppen fällt es aber derzeit schwer, das Leistungsniveau noch zu steigern und dabei günstige, wettbewerbsfähige Preise zu realisieren. Die vorhandenen Tarifmerkmale sind bereits bis auf wenige Ausnahmen wie noch längere Preisgarantien bei kurzen Vertragslaufzeiten ausgeschöpft.

Trotzdem ist davon auszugehen, dass die Wettbewerbs-Leistungsspirale sich fortsetzen wird und weitere Leistungen erfunden werden, die dem Kunden entweder etwas mehr Geld wert sein oder aber die Entscheidung zugunsten des Anbieters beeinflussen sollen. Worum es sich handelt, muss sich zeigen.

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