Neue Verbraucherschutzgesetzgebung könnte die Rahmenbedingungen des Energievertriebs neu definieren

Noch diesen Sommer möchte das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, der im Falle der Annahme durch den Bundestag weitreichende Folgen für den Energievertrieb in Deutschland hätte.

Dabei handelt es sich um ein Paket von Verbraucherschutzmaßnahmen, die unter anderem auf die Laufzeit und Kündigungsfristen bei Verträgen abzielen, die eine regelmäßige Lieferung von Waren oder Dienstleistungen beinhalten. Also bspw. das Abo im Fitnessstudie, Handy- und Internetverträge und eben auch: Energieverträge.

Der in Arbeit befindliche Gesetzentwurf beruht auf dem Eckpunktepapier „Schutz vor Kostenfallen“ des Ministeriums von März dieses Jahres, dessen Inhalte im Wesentlichen übernommen werden sollen. Einzig im Bereich Inkassokosten will man offenbar von dem Papier abweichen und müsse noch nacharbeiten, wie ein Ministeriumssprecher dem SPIEGEL mitgeteilt hat. Im April hatten wir uns im Schwerpunktthema von Energiemarkt Aktuell ausführlich mit den geplanten Maßnahmen und den Auswirkungen auf die Energiebranche beschäftigt.

Knapp zusammengefasst umfasst das Eckpunktepapier folgende Vorschläge:

  • Die maximal erlaubte Erstlaufzeit von Lieferverträgen soll von zwei auf ein Jahr und die maximale Folgelaufzeit von einem Jahr auf drei Monate verkürzt werden.
  • Bei Telefonakquise soll der Verbraucher künftig bei einem Vertragsabschluss den Vertrag in Textform bestätigen, bevor dieser tatsächlich zustande kommt.
  • Bei Telefonakquise soll eine Dokumentationspflicht für Einwilligungen zur Kontaktaufnahme sowie ein Bußgeld bei Zuwiderhandlung eingeführt werden.
  • Unternehmen soll es nicht länger gestattet sein, die Abtretung von Forderungen in AGBs auszuschließen. Dies würde es insbesondere spezialisierten Unternehmen bzw. Kanzleien ermöglichen, bspw. nicht ausbezahlte Boni zu kaufen und in der Summe einzutreiben.
  • Die Informationspflichten zu Zahlungszielen und Inkassokosten sollen ausgeweitet werden.
  • Die Haftungsdauer beim Kauf von gebrauchten Sachen kann nicht mehr unter einem Jahr liegen. Für die Energiebranche ist dies zweitrangig.

Der erste Vorschlag hätte sicherlich die größten Auswirkungen auf die Branche, zumal die Bedeutung von längeren Vertragslaufzeiten insbesondere durch Bündelprodukte zunimmt. Die relativ neue Kombination aus Hardware wie bspw. einem iPad und einem Stromvertrag würde dann deutlich schwerer zu realisieren sein, da der Kunde das Gerät über 12 Monate abzahlen müsste. Noch ist aber nicht ganz klar, inwieweit Bündelverträge von der Neuregelung betroffen sein werden. Das Eckpunktepapier setzt aber genau bei § 309 Satz 9 BGB an, der auch die Ausnahmeregelung für die Lieferung „als zusammengehörig verkaufter Sachen“ beinhaltet.

Eine weitere Verschärfung der Problematik tritt durch die Verkürzung der Folgelaufzeiten auf maximal drei Monate ein. Kunden erhalten damit im zweiten Vertragsjahr drei zusätzliche Kündigungsmöglichkeiten. Eine Kündigungsfrist zu versäumen, hätte also für den Kunden weitaus geringere Auswirkungen als bisher. Der Versorger hingegen muss seine Kalkulation umstellen und mit kürzeren Kundehaltedauern rechnen. Dies wird fast zwangsläufig zu einem Anstieg des Preisniveaus und zu geringeren Bonusversprechen führen.

Zudem würde es Verbrauchern durch den Gesetzentwurf deutlich erleichtert, nicht ausbezahlte Boni einzuklagen, da die Abtretung von Forderungsansprüchen in den AGB von Energieverträgen nicht mehr ausgeschlossen werden dürfte. Auch vor diesem Hintergrund würden Maßnahmen zur Kundenbindung im Energievertrieb einen noch höheren Stellenwert gewinnen.

Die geplante Notwendigkeit zur Dokumentation der Einwilligung in eine telefonische Kontaktaufnahme sowie einer schriftlichen Bestätigung telefonisch abgeschlossener Verträge betrifft die Direktvertriebsaktivitäten verschiedener Branchen, wie auch den Energievertrieb. Rechtssichere Opt-ins würden sich weiter verteuern, während gleichzeitig die Abschlusswahrscheinlichkeit sinkt. Der Vertriebskanal würde damit für Versorger vermutlich unattraktiv werden.

Wenn der Gesetzentwurf veröffentlicht ist, wird eine genauere Analyse der Folgen und sinnvoller Strategien im Umgang damit möglich sein. Da das Gesetz bereits 2020 in Kraft treten soll, ist die Vorbereitung auf die schon jetzt zu erwartenden Folgen essentiell.

KREUTZER Consulting berät Sie gerne zu diesem und weiteren Themen rund um den Energievertrieb und die Produktentwicklung. Kontaktieren Sie uns zu einem unverbindlichen Gespräch.

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